Die Ausstellung

Der Luthereffekt 500 Jahre Protestantismus in der Welt

Mehr als 800 Millionen Menschen verstehen sich heute weltweit als Protestanten, ihr historischer Bezugspunkt sind die europäischen Reformationen des 16. Jahrhunderts. Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums lädt Sie das Deutsche Historische Museum im Martin-Gropius-Bau zu einer Weltzeitreise ein, die durch fünf Jahrhunderte und über vier Kontinente führt. Als erste Ausstellung zeigt „Der Luthereffekt“ die Vielfalt und Wirkungsgeschichte, aber auch die Konfliktpotenziale des Protestantismus in der Welt. Welche Spuren hinterließ er in anderen Konfessionen und Religionen? Wie veränderte sich der Protestantismus durch diese Begegnungen – und nicht zuletzt: Wie haben sich Menschen unterschiedlichster Kulturen die evangelische Lehre angeeignet, sie geformt und gelebt? Ausgehend von den Reformationen im 16. Jahrhundert zeichnet die Schau eine weltumspannende Geschichte von Wirkung und Wechselwirkung, die exemplarisch dargestellt wird an Schweden, den Vereinigten Staaten von Amerika, Korea und Tansania.

Das Deutsche Historische Museum präsentiert den „Luthereffekt“ in Berlins international bekanntem Ausstellungshaus, dem Martin-Gropius-Bau. Auf knapp 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden rund 500 originale Exponate in Szene gesetzt. Darunter befinden sich herausragende Kunstwerke ebenso wie aussagekräftige Alltagsgegenstände. Ein großer Teil der außergewöhnlichen Objekte wird anlässlich des 500. Reformationsjubiläums erstmals in Deutschland zu sehen sein. Moderner Medieneinsatz liefert Hintergrundinformationen und ergänzt die Schau.

Reformationen

Die Reformation war ein europäisches Ereignis. Seit dem 16. Jahrhundert führen verschiedene Reformwege zu einer Erneuerung von Kirche und Leben. Einer davon ist die Reformation Martin Luthers.

In globaler Hinsicht werden andere Wege, zum Beispiel der reformierten Kirche aus der Eidgenossenschaft oder der anglikanischen Kirche in England, einflussreicher. Auch die katholische Kirche durchläuft einen Reformprozess.

Nie zuvor haben sich so viele Menschen an einem Glaubensstreit beteiligt. Bald streiten Reformbefürworter und Reformgegner nicht nur miteinander, sondern auch untereinander. Radikalere Bewegungen wie die Täufer werden sowohl von Katholiken als auch von Lutheranern und Reformierten verfolgt und an den Rand gedrängt. Die Konkurrenz zwingt Lutheraner, Reformierte, Täufer, Anglikaner und Katholiken zur Klärung im Inneren und zur Abgrenzung nach außen. Die unterschiedlichen Reformwege formieren sich zu Konfessionen, die sich bis heute dynamisch weiterentwickeln.

Ein Land, ein Glaube – die lutherische Großmacht Schweden

Beeinflusst von der lutherischen Reformation, beschließt der schwedische König Gustav Wasa 1527 die Trennung von Rom. Dies fördert die Verbreitung verschiedener reformatorischer Ideen im Schwedischen Reich. Erst 1593 legen die Synode und der Reichstag von Uppsala das lutherische Bekenntnis als verpflichtend fest. In der Folge entwickeln sich in Schweden eine lutherische Staatskirche und ein konfessionell einheitlicher Staat. Mit der Staatskirche bildet sich eine neue religiöse Kultur heraus. Es entsteht eine Gemeinschaft, die sich als Schutzmacht des Luthertums sieht. Auf den Schlachtfeldern Europas kämpfen die schwedischen Herrscher und ihre Heere für die Großmachtstellung Schwedens und für das Luthertum.

Im Inneren handelt die Staatskirche zunehmend restriktiv. Religiöse und soziale Disziplinierung sowie die Mission der im Norden des Landes lebenden Sámi sollen den lutherischen Glauben festigen und mit ihm eine gemeinsame Identität.

Die Vereinigten Staaten von Amerika – das Gelobte Land?

Der Protestantismus gelangt durch die Einwanderung unterschiedlicher Gruppen, Kirchen und Konfessionen in die britischen Kolonien Nordamerikas, die späteren Vereinigten Staaten. Deshalb ist er dort bis heute sehr vielgestaltig. Eine Staatskirche existiert nicht, stattdessen stehen unüberschaubar viele unabhängige Kirchen nebeneinander. Unter dem Einfluss charismatischer Erweckungsprediger bildet der Protestantismus in den USA seit dem 18. Jahrhundert sein eigenes Profil heraus. In der Folge entstehen neue Konfessionen und zahlreiche soziale Reformbewegungen. Darüber hinaus entwickeln sich die sogenannten Schwarzen Kirchen der Afroamerikaner.

Der Protestantismus trägt erheblich zur Entstehung der amerikanischen Nation und ihres Selbstverständnisses bei. Er prägt die Auffassung von Amerika als dem Gelobten Land und von den Amerikanern als dem Erwählten Volk. Aus ihm erwachsen Vorstellungen, die bis heute ihre Wirkung in der amerikanischen Gesellschaft entfalten.

Korea – Boomland des Protestantismus

In der Republik Korea (Südkorea) führen mehrere Religionen eine vergleichsweise friedliche Koexistenz. Fast 30 Prozent der Südkoreaner bezeichnen sich als Christen, etwas weniger als zwei Drittel davon sind Protestanten. Südkorea ist damit das einzige ostasiatische Land mit einem großen protestantischen Bevölkerungsanteil. Protestantische Missionare können sich erst Ende des 19. Jahrhunderts dauerhaft in Korea ansiedeln. Zu dieser Zeit existieren bereits erste protestantische Gemeinschaften. Sie sind Gründungen koreanischer Laien. Die Verwendung der koreanischen Alphabetschrift Han’gŭl für Bibel-Übersetzungen wird zum wichtigsten Mittel der Mission.

Nach der Teilung des Landes und dem Koreakrieg 1950–53 verlassen die meisten Christen die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea). Südkorea entwickelt sich sehr rasch zu einem Industriestaat. Parallel dazu verändert sich die religiöse Landschaft: 1950 sind drei Prozent der Südkoreaner Protestanten, 1995 bereits rund 20 Prozent. Auch für die protestantischen Kirchen in Südkorea sind das Verhältnis zu Nordkorea sowie eine mögliche Wiedervereinigung des Landes Schlüsselfragen zu denen sie allerdings sehr unterschiedliche Positionen einnehmen.

Tansania – Mission und Selbstbestimmung

Migration und das überwiegend friedliche Zusammenleben von über 140 Bevölkerungsgruppen und verschiedenen Glaubenskulturen prägen Tansania. Der tansanische Protestantismus ist vielgestaltig, eine wichtige Position nimmt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT) ein. Die ELCT ist heute mit über sechs Millionen Mitgliedern und 24 Diözesen die größte lutherische Kirche Afrikas und die zweitgrößte lutherische Kirche der Welt. Ihre Ursprünge gehen auf deutsche, skandinavische und amerikanische Missionsgesellschaften zurück, die im Gebiet der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Burundi und Ruanda sowie ein Teil des heutigen Mosambik) tätig waren.

Daneben spielten die Herrnhuter Brüdergemeine, die anglikanische Kirche und charismatische Bewegungen eine bedeutende Rolle bei der Ausbreitung des Protestantismus. Sehr schnell entstand eine Vielfalt protestantischer Kirchen, die von tansanischen Gläubigen getragen wurde. Ziel der Missionen war es von Anfang an, wirtschaftlich selbständige Kirchen und Gemeinden zu gründen.

Heute beschränkt sich deren Einfluss längst nicht mehr auf das eigene Land. Missionare aus Tansania arbeiten auf dem gesamten Kontinent. Gegenüber den Kirchen in Europa sehen sie sich als Vertreter der ursprünglichen lutherischen Ideale.

Wandlung und Spaltung: Installation von Hans Peter Kuhn

Exklusiv für die Ausstellung verwandelt der Berliner Künstler Hans Peter Kuhn den Lichthof des Martin-Gropius-Baus in ein gigantisches Kunstwerk aus Aluminiumrohren, Licht und Klang. Die Installation „ÜBERGANG“ nähert sich den weltweiten Folgen der Reformation auf künstlerische Weise und macht die von der Reformation ausgelösten Prozesse der Wandlung des Verhältnis von Mensch zu Gott ebenso wie die Spaltung der Kirchenlehren fühl- und spürbar.